Ami alter Schule
Der Chevrolet Tahoe ist ein Ami alter Schule – und deshalb einsame Spitze. In den USA lieben die Käufer das Dickschiff. Hier kommt unser Fahrbericht.
Bild: Thomas Geiger
von
- Thomas Geiger
19. Mai 2014
In Amerika ist der
Chevrolet Tahoebuchstäblich dick im Geschäft. Zusammen mit seinem großen Bruder Suburban dominiert er seit Jahren die SUV-Zulassungen und kam zuletzt auf einen gemeinsamen Marktanteil von fast 50 Prozent. Davon können bei uns selbst
M-Klasse,
oder
Touaregnur träumen. Kein Wunder, dass Amerika für einen kurzen Moment den Atem anhält, wenn der General aus Detroit seine Truppen neu sortiert und die nächste Generation des Tahoe ins Feld führt.
Wunderbar antiquiertes Stahlross
Dabei haben sich die Amerikaner ihrer traditionellen Stärken besonnen und vielleicht zum letzten Mal ein SUV alter Schule auf die bis zu 22 Zoll großen Räder gestellt. Denn auch wenn es jetzt solch neumodische Sperenzchen wie eine Zylinderabschaltung oder eine elektrische Servolenkung gibt, ist der jetzt noch prunkvoller gezeichnete Tahoe ein wunderbar antiquiertes Stahlross von stattlichen 5,18 Metern mit schier unerschütterlichem Leiterrahmen und einem nagelneuen V8-Motor, dem nie, aber wirklich nie die Puste ausgeht. Dafür stehen 5,3 Liter Hubraum, aus dem Kolben groß wie die Fäuste eines Kirmesboxers bis zu 355 PS und bärige 519 Nm prügeln. Da kann die sechsstufige Automatik noch so weich und teigig schalten: Wenn man mit schweren Stiefeln auf das riesige Pedal latscht, neigt sich der funkelnde Chromgrill ein wenig dem Himmel entgegen, die Erde beginnt ganz sanft zu beben und unter ohrenbetäubendem Lärm kommt die Fuhre in Fahrt wie eine Lawine aus Stahl: 0 auf 100 in grob gemessenen 9,5 Sekunden – das ist auch für Autos, die keine 2,6 Tonnen wiegen, kein schlechter Wert. Und auch die Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h kann sich sehen lassen.
Bildergalerie
Die wildesten US-Pick-ups
Unter Last säuft der Ami hemmungslos
Oft sollte man das allerdings nicht ausreizen. Sonst ist selbst der riesige 100-Liter-Tank schneller leer als der Cola-Vorrat, den man beim Fahrtantritt in einem knappen Dutzend Cupholder gebunkert hat. Wenn man dagegen schön gemächlich mit ruhigem Puls und niedrigem Blutdruck dahin rollt, ist der Tahoe fast schon ein sparsames Auto, weil er dann die meiste Zeit nur auf vier Töpfen brennt und so vielleicht doch mit weniger als zehn Litern auskommt. Lässiges cruisen, das ist nicht die kostengünstigste, sondern auch die komfortabelste Art der Fortbewegung. Dann schluckt die Magnetic Ride Federung wirklich jede Bodenwelle und bettet einen wie auf Wolken und man hält den Kurs so entspannt wie ein Kapitän auf seinem Ozean-Dampfer. Ja, der Tahoe kann auch schneller. Aber dann wird’s am Steuer ziemlich anstrengend und in engen Ortsdurchfahrten fühlt man sich schnell wie in einem Gelenkbus.
Die Sitze sind mollig wie im Wohnzimmer
Dass da unter der hohen Haube ein riesiges Kraftwerk schwerste Arbeit leistet, hört man am Steuer nur von weitem. Und auch sonst fühlt man sich der Welt seltsam entrückt, sobald die schweren Türen satt ins Schloss gefallen sind. Man fährt gut gedämmt in einer Kabine größer und geräumiger als das eigene Wohnzimmer, thront auf Sitzen, die weich und mollig sind wie der Sessel daheim vor dem Fernseher und genießt mehr Annehmlichkeiten als in einer Hotelsuite: Jeder Handgriff wird elektrisch unterstützt, die Klimaanlage wechselt in Sekundenbruchteilen zwischen Arktis und Sahara, die Ablagen sind größer als Einbauschränke, es gibt ein Dutzend Steckdosen und eigentlich fehlt nur noch der Buttler, der auf Knopfdruck aus der Mittelkonsole klettert – Platz genug würde die dafür allemal bieten.
Der US-Preis ist ein Hammer
Wie so oft in Amerika sind Glanz und Gloria im Tahoe allerdings ein wenig oberflächlich: Ja, es gibt überall Lack und Leder – aber eben auch billigstes Plastik. Was helfen einem das riesige Mutli-Media-Center mit Touchscreen, Appstore und Hot-Spot oder die Blue-Ray-Monitore über den hinteren Sitzreihen, wenn dafür die Assistenzsysteme allenfalls Standard sind? Und wer zur Hölle hat die hässlichen Uhren designt, die so gut in das ansonsten richtig schmucke Cockpit passen wie eine McDonald’s-Filiale ins Foyer des Trump-Towers? Das ist schade. Aber irgendwie muss man das auch verstehen. Denn so groß, protzig und grundvoll der Tahoe auch erscheinen mag, er ist im Grunde ein spottbilliges Auto. Die Preise in Amerika beginnen für die Basisversion mit Hinterradantrieb bei gerademal 46.000 Dollar oder umgerechnet 33.000 Euro. Und selbst wenn da noch die lokale Steuer draufkommt und die Top-Version mit Allrad, Furz und Feuerstein dann schon 59.000 Dollar kostet, ist der Koloss ein Schnäppchen. Ein halbwegs vergleichbarer
Mercedes GLkostet beim US-Händler schließlich zehn Prozent mehr.Für europäische Verhältnisse hoffnungslos überdimensioniert, fast schon obszön motorisiert und irgendwie aus der Zeit gefallen, gibt es den Tahoe bei uns aus gutem Grund nur bei den freien Importeuren. Und die lassen sich den Exoten gut bezahlen und verlangen für das voll ausgestattete Top-Modell schnell mal 60.000 Euro aufwärts. Doch selbst dann ist die Wuchtbrumme noch billiger als ein Mercedes GL oder ein
Audi Q7, die ihr als einzige deutsche Geländewagen auch nur halbwegs das Wasser reichen können. Aber damit hat General Motors sein Pulver noch nicht verschossen. Denn es dauert nur noch ein paar Monate, dann gibt es den Tahoe auch im feinen Zwirn, mit noch mehr Leistung und noch mehr Luxus als
Cadillac Escalade– und zwar nicht nur in Amerika, sondern auch ganz offiziell bei uns.
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